Das weiße Band
„Das weiße Band“ war mein erster Haneke-Film, ich kannte weder „Die Klavierspielerin“ noch eine andere seiner Arbeiten. In der dichten, schwarz-weiß gefilmten Atmosphäre laufen einige Handlungsstränge in Parallelen und Knoten und erzählen von Vorkommnissen in einem Bauerndorf vor dem ersten Weltkrieg.
Die Hierarchien im Dorf sind noch sichtbar: Der Gutsherr, die dekorative Gattin, darum kreisende Honoratioren wie Dorfarzt und Lehrer und darunter die armen polnischen Tagelöhner und Bauern haben ihren festen Platz. Aber die alte Ordnung bekommt schon Kratzer. Irritierende Verwerfungen brechen unterschwellig auf, ohne recht deutlich zu sein: Der Kanarienvogel des Pastors wird grausam getötet, der Arzt wird bei einem Reitunfall schwer verletzt, eine Scheune brennt mitten in der Nacht ab.
Die Kinder des Dorfes sind ernst, schwermütig und voll Zorn. Unter der gewalttätigen Erziehung ihrer Eltern gärt ihre dunkle Rachelust und Bosheit, die keiner der Dorfbewohner mit den ungeklärten Unglücksfällen in Verbindung bringen kann. Zu fest geformt ist die eingebrannte Denklandschaft der Erwachsenen, zu unbeachtet bleiben die Gefühle und Verletzungen der Kinder. Nur der junge Lehrer, frisch von auswärts zugezogen, wird skeptisch. Mit Drohungen des als Vater betroffenen Dorfpastors wird auch er zum Schweigen gebracht.
So zeigt „Das weiße Band“, wie kurz vor dem ersten Weltkrieg die Strukturen der Gesellschaft wie eingegipst in ihre gewohnten Formen und Förmlichkeiten gezwungen waren, doch Brüche unter der Oberfläche erkennbar wurden und die düstere Kühle mit Kriegsbeginn in ein Desaster ausfließt. Die verdorbenen Kinder sind zwanzig Jahre später noch einmal das Baumaterial für unmenschliche Taten.